Mit Carmela unterwegs …

October 24, 2008

Wenn die künstliche Empfängnisverhütung per Gesetz droht

Filed under: Land und Leute, Projekttagebuch — Carmela @ 3:11 am

Seit letztem Jahr gibt es den Entwurf zu einem Fortpflanzungsgesundheitsgesetz (ich kann’s nicht besser übersetzen. „Reproductive Heath Bill“). Die philippinische Regierung macht sich ernsthaft Sorgen, wie man der stetig steigenden Bevölkerung entgegen wirken kann. Das Gesetz beinhaltet Serviceleistungen für Familienplanung (künstlich und natürlich), Erziehung im Bereich Kindererziehung, Kinderernährung, Sexualunterricht, Empfehlung für ideale Familiengröße (kein Gebot) und vieles mehr rund um das Thema Familie, Familienplanung und Erziehung. Das, was so Furore macht, ist die Tatsache, dass künstliche Schwangerschaftsverhütung per Gesetz in einem katholischen Land für alle zugänglich gemacht werden soll. Es gibt nun viele Befürchtungen, dass damit auch die Legalisierung von Abtreibung Tor und Tür geöffnet wird. Außerdem, dass durch ein Sexualunterricht ab der Grundschule bis zur 10. Klasse sexuelle Ausschweifungen die Folge sein könnten. Über 70% der Philippinos sind jedoch dafür, dass künstliche Schwangerschaftsverhütung einfacher zugänglich gemacht werden soll, da der Zusammengang zwischen Armut und kinderreichen Familien auf der Hand liegt – wie ja auch bei uns.

Mehr zum Inhalt und Verständnis dieses Gesetzentwurfes hier.

PREDA hat zu diesem Thema ein Forum veranstaltet, an dem verschiedene NGO (Nichtregierungsorganisationen) und Kirchengruppierungen teilgenommen haben und alle interessierten PREDA MitarbeiterInnen. Leider war die Veranstaltung von den SprecherInnen sehr einseitig, da alle gegen das Gesetz gesprochen haben. Es war ein Politiker der Stadt und ein Ehepaar aus einer Kirchengemeinde dort, die ihre Meinung vertreten haben.

Für mich war das alles sehr befremdend, jedoch die Ängste und Befürchtungen nachvollziehbar. Es herrscht solch eine große Angst bei den gebildeten Philippinos, dass die Moral des Landes unter den Folgen des Gesetzes leiden könnte, und dass Kinder und Jugendliche zu sexsüchtigen Personen herangezogen werden. Klare Aussage der SprecherInnen war: Disziplin und kein Sex, wenn man keine Kinder mehr haben möchte. Das ist die sicherste Methode, ansonsten sollte man auf die natürliche Weise zurück greifen, die natürlich bekanntlich nicht sicher ist.

Da mir das dann doch alles zu einseitig war, hab ich mir gedacht, dass ich doch mal von meinen Erfahrungen hier aus Deutschland erzählen könnte, dass man hier ab der zweiten bis zur neunten Klasse Aufklärungsunterricht hat, und dass dadurch die Kinder und Jugendlichen keine sexhungrigen Wesen (sex maniacs – das war in aller Munde) sind, sondern dass sie lernen, verantwortungsvoll mit diesem Thema umzugehen (auch wenn das in den letzten Jahren was nachgelassen hat). Und die wenigsten ungewollten Schwangerschaften haben eine Abtreibung zur Folge, so dass es zwischen künstlicher Empfängnisverhütung und Abtreibung nicht notwendiger Weise einen Zusammenhang gibt. Gerade die jüngeren Anwesenden des Forums haben dann eingestanden, dass sie sich auch Aufklärung in der Schule wünschen, jedoch heißen sie es nicht für gut, wenn die künstl. Empfängnisverhütung gelehrt wird. Jedoch ist letztere Aussage nicht repräsentativ in der Bevölkerung.

Ein Argument was immer wieder als Kontra betont wurde, war die Tatsache, dass die Philippinen ein christlich orientiertes Land sei, und man sich weiterhin danach orientieren sollte. Dazu – das hab ich dann nicht gesagt, sondern nur gedacht – muss man jedoch sagen, dass über 80% auf dem Papier katholisch sind, das jedoch überhaupt nicht bedeutet, dass die auch alles nach christlich ethischen und moralischen Maßstäben handeln. Es mangelt eben an einer ethischen – christlich orientierten – Gewissenbildung, sonst gäb es ja wohl nicht so viele Eltern, die ihre Kinder auf die Straße schicken, in die Prostitution, Kinder in die Welt setzen und dann nicht wissen, wie sie sie ernähren können, Korruption, Kriminalität usw. Gewiss, vieles ist Folge von Armut, jedoch ist es nie eine Entschuldigung, vor allem wenn es deutliche Menschenrechtsverletzungen sind. Vergewaltigung in der Ehe und sonstige Misshandlungen an Frauen sind z.B. auf der Tagesordnung. Das christliche Menschenbild ist zu sehr beeinflusst vom Bild des spanischen Großgrundbesitzer, der über die Familie herrscht. Kinder sind da, damit die Zukunft gesichert ist und nicht, weil sie die Frucht der Liebe (im christlichen Kontext gesprochen) sind. Kinder werden nicht zu eigenständigen Personen erzogen, die ihren eigenen Wege gehen sollen, sondern lernen, dass sie immer und zu jeder Zeit für ihre Familie und die Eltern verantwortlich sind.

Ich gebe einem Sprecher Recht, wenn er anfragt, wer denn sagt, dass die Philippinen übervölkert sind. Wir sprechen dann von Übervölkerung, wenn ein Land nicht in der Lage ist, sein eigenes Volk zu versorgen. Jedoch ist das ja in vielen Ländern die Folge von Armut, und diese ist wiederum die Folge der ungerechten Verteilung der Güter und Ressourcen.

Das weitere Problem, warum so viele gegen dieses Gesetzt sind, ist die Tatsache, dass es 30 Milliarden Pesos kosten würde, um es umzusetzen. Und sich jeder fragt, woher denn dieses Geld her kommen soll. Es ist das generell Misstrauen der Regierung gegenüber, weil sie nun einmal korrupt ist. Statt dass sie dieses Geld den NGOs und Kirchen zu Verfügung gestellt wird, oder die Regierung selbst vernünftige Programme für den Kampf gegen Armut umsetzt, wird ein Gesetzt eingeführt, dass viele Philippinos als nicht ethisch korrekt betrachten.

Ich persönlich denke, dass viele Inhalte dieses Gesetzes sehr gut sind, denn die Philippinen brauchen auch ganz konkrete und schnelle Hilfe im Bereich Familienplanung. Das eine sind die Seminare, die Kirchen und NGOs für die arme Bevölkerung durchführt, die langfristig Wirkung zeigen. Das andere ist die akute Hilfe, wenn eine Familie schon 7 Kinder hat, keinen Job, verarmt, und die Eltern sind gerade mal 35 Jahre alt. Da hilft es recht wenig, denen zu sagen, dass sie für den Rest ihres Lebens auf Sex verzichten sollen, denn nur so sind sie verantwortungsvolle Eltern.

Es bleibt also spannend, was in den nächsten Wochen dies bezüglich geschehen wird.

No Comments »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. TrackBack URL

Leave a comment

You must be logged in to post a comment.

Powered by WordPress